Geschichtlicher Hintergrund

Im Mai 1096 zogen verschiedene Kreuzfahrerhaufen durch das Rheinland. Sie folgten dem Aufruf von Papst Urbans II., die christlichen Wallfahrtsstätten in Palästina zu erobern. Die relativ unorganisierten Gruppen setzten sich zusammen aus einigen Rittern und deren Gefolge, Priestern, Mönchen und vielen Bauern und Vertretern gesellschaftlicher Randgruppen. Man spricht in dem Zusammenhang auch vom Volkskreuzzug , der dem Ersten Kreuzzug  unmittelbar vorausging.

Aufgestachelt durch den Antijudaismus in den Schriften im Neuen Testament, auf der Suche nach materieller Versorgung des Heeres und vielfach getrieben von blanker Gier fanden die Kreuzfahrer in den Juden Europas ein Feindbild. Bevor die „Ungläubigen“ in Palästina bekämpft würden, sollten die ─ nach volkstümlicher Meinung ─ Mörder des Gottessohns  beseitigt werden, sei es durch eine erzwungene Konversion zum Christentum oder durch Mord. „Tod oder Taufe“ war der Schlachtruf der Kreuzritter.

Die bedrohten jüdischen Gemeinden in Speyer, Worms und Mainz waren damals in einem Städteverbund organisiert, den sogenannten SchUM-Städten. Dieser Städteverbund zeichnete sich durch eine große Gelehrsamkeit aus und kann als Wiege des aschkenasischen (also des mittel-, nord- und osteuropäischen) Judentums bezeichnet werden.

Während am 3. Mai 1096 die Juden in Speyer vom Bischof und anderen Stadtverantwortlichen noch weitgehend vor den Kreuzfahrern beschützt werden konnten (dennoch kamen in Speyer etwa ein Dutzend Juden zu Tode), wurden am 18. Mai in Worms zwischen vierhundert und achthundert Juden ermordet oder zwangsgetauft. Am 27. Mai wurden in Mainz die meisten der über tausend Juden getötet oder zur „bedingten Zwangstaufe“ gepresst. Die von Lotter benutzte Formulierung „bedingte Zwangstaufe” weist darauf hin, dass die Juden bei dem eigentlichen Taufritual ihre Zustimmung geben mussten. Viele Juden nahmen jedoch willig den Tod in Kauf oder begingen Selbstmord, beziehungsweise töteten sich gegenseitig, bevor sie in die Hände der Kreuzritter fallen konnten. In der jüdischen Literatur der Zeit nach den Pogromen wurde dies als  „Kiddusch Ha-Schem“ („Heiligung des Namens Gottes durch eine heilige Tat“) bezeichnet.

Unter dem Eindruck der Morde der Kreuzfahrer und der Opferbereitschaft in den jüdischen Gemeinden entschieden sich die christlichen Autoritäten in Trier und anderen Städten des Rheinlands zur Taufe der Juden unter – wie Lotter es ausgedrückt hat – „absolutem Zwang“, bei der den Juden keine Widerspruchsmöglichkeit vor dem eigentlichen Taufritual gegeben wurde. So barbarisch diese Taufen unter absolutem Zwang gewesen sein mussten, so sicherten sie doch das Überleben des deutschen Judentums: Ein Jahr später, nach der Rückkehr des Kaisers Heinrich IV. aus Italien, durften die Zwangsgetauften zu ihrem ursprünglichen Glauben zurückkehren.

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